Rebellinnen der Achtsamkeit
Offen. Kritisch. Selbstbestimmt.
Die Frage „Wer bin ich?“ zählt nach wie vor für mich zu den wichtigsten Fragen, die wir uns selbst stellen können. Die Antworten beziehen sich in einem Wechselspiel mal auf die Rollen, die ich als Frau, Schwester, Geliebte, Freundin, Autorin, spirituelle Lehrerin, Suchende oder Meditierende spiele. Die Antworten speisen sich darüber hinaus auch aus jenem Teil in mir, der von allen Rollen vollkommen unberührt bleibt.
Im Verlauf meines Lebens fiel es mir manchmal sehr leicht, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Mal erschien es mir unmöglich, überhaupt nur eine Idee davon zu bekommen, wer ich sein könnte. Andere Menschen scheinen da ein genaueres Bild von mir zu haben. So bezeichnen mich meine Leserinnen und Kursteilnehmer häufig als authentisch, mutig und offen. Viele von ihnen bezeichnen mich auch als achtsam. Es gibt aber auch Menschen, die denken, dass ich eher unachtsam bin. Und das tun sie gerne dann, wenn ich nicht ihren Vorstellungen von Achtsamkeit entspreche.
Was aber genau bedeutet es, achtsam zu sein. Achtsamkeit bezieht sich immer auf die fokussierte Wahrnehmung von etwas. Ich trinke Tee und tue nur das. Ich gehe und tue nur das. Im Prozess des Trinkens oder Gehens kann ich durch diese Fokussierung auf etwas mit einer tieferen Wahrheit in Verbindung kommen. Zum Beispiel kann ich mir bewusst werden, was für eine kostbare Ressource Wasser ist. Oder beim Gehen kann ich erkennen, was für ein großes Geschenk es ist, Füße zu haben, die mich von A nach B bringen. Oder aber ich spüre durch das Barfuß gehen, dass ich auf einem lebendigen Organismus gehe. Ich kann zum Beispiel durch den direkten Kontakt meiner Füße mit einer Wiese oder einem Waldboden erfahren, dass Mutter Erde die Mutter allen Seins ist. Eine solche Erkenntnis kann mein Verhalten und meinen Umgang mit meinem Körper, den Ressourcen und der Welt vollkommen verändern.
Für jeden Menschen kann eine Erfahrung, die er während der Achtsamkeitspraxis macht, ganz unterschiedlich sein. Für den einen ist es eine stille innere Erfahrung, für einen anderen Menschen ist es eine Erfahrung, die er mit anderen Menschen teilen möchte, weil sie ihn tief berührt hat und dieses Berührtsein sein ganzes Leben verändert. Diese Veränderung wird sich natürlich auch dem eigenen Naturell entsprechend auswirken und Gestalt annehmen.
Achtsamkeit fängt da an, wo Bequemlichkeit aufhört
Wenn wir tiefer eintauchen in die Praxis der Achtsamkeit, können wir auch solche Erfahrungen machen, die uns deutlich zeigen, dass wir gesellschaftlich angepasst und vollkommen im Widerspruch zu unseren eigentlichen Bedürfnissen leben.
Immer wieder erlebe ich in meinen Kursen, dass Teilnehmer und Teilnehmerinnen sich auf die Meditation und Selbstreflexion einlassen und erkennen, dass sie sich selbst hinten anstellen, wenn es um die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse geht. So kann es passieren, dass man sich auch noch als 50jährige den Vorgaben der Eltern anpasst, weil man Angst vor einer Auseinandersetzung hat. Gerne vermeidet man auch Diskussionen mit Freundinnen oder Freunden, besonders dann, wenn wir eine Meinung haben, die ganz anders ist als die unseres Gegenübers.
Wie oft haben wir Angst davor, abgelehnt zu werden, wenn wir uns offenbaren mit all unseren Vorlieben und Abneigungen. Wie schnell befürchten wir, verletzt zu werden oder zu verletzen, wenn wir zu dem stehen, was uns tief im Herzen bewegt.
Vollkommen, ohne Wenn und Aber, zu sich selbst zu stehen, ist auch für viele Achtsamkeitspraktizierende ein großes und schwieriges Unterfangen. Selbst dann, wenn der Körper einem deutliche Signale sendet, dass es nicht förderlich für die eigene Gesundheit ist, über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinwegzugehen.
Zum Glück aber gibt es Menschen, die achtsam und authentisch sind. Sie sind selbstreflektiert und autonom. Sie sind mutig und selbstbestimmt. Sie trauen sich, die Konsequenzen für die eigenen Einsichten zu übernehmen.
Diese Menschen haben es aber nicht immer leicht. Besonders in der heutigen Zeit, in der Diskurse nicht mehr in dem Maße möglich sind, wie noch vor wenigen Jahren, halten sich immer mehr Menschen mit ihrer Meinung zurück. Für die einige politische Meinung oder Sicht auf die Welt einzustehen erfordert Mut und auch Achtsamkeit.
So habe auch ich immer erlebt, dass ich in manchen spirituellen Kreisen nur so lange akzeptiert wurde, wie meine Meinung der Sangha oder der entsprechenden Tradition entsprach.
Der eigenen Wahrnehmung und Intuition zu folgen, finde ich auch auf dem spirituellen Weg besonders in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Gerade in Zeiten, in denen wir so vielen Meister, Gurus und Menschenfängern begegnen und so viele Fake Meldungen ausgesetzt sind, und keiner mehr wirklich weiß, wem er vertrauen soll, ist Achtsamkeit und ein Hören auf das eigene Bauchgefühl ein wichtiges Gebot der Stunde.
Aber eine solche Reflexion kann natürlich dazu führen, dass wir alleine dastehen mit unserer Meinung. Umso mutiger aber finde ich es, wenn sich jemand traut, dann trotzdem bei der eigenen Meinung zu bleiben. Sich selbst treu zu bleiben, auch wenn der Rest einer spirituellen Gruppierung oder einer sozialen Gesellschaft eine andere Meinung vertritt, finde ich herausragend. Menschen, die sich dann offen positionieren, sind für mich Rebellen und Rebellinnen der Achtsamkeit.
Sie sind bereit, alles zu hinterfragen. Auch sich selbst.
Und wenn wir bereit sind, alles zu hinterfragen, neu zu denken, quer zu denken und anders zu denken, werden wir ankommen. Bei uns selbst. In unserem Herzen. An unserer eigenen, göttlichen Quelle. Dann sind wir frei. Diese innere Freiheit macht es uns möglich, uns ganz neu auszudrücken. Eine eigene, innere und äußere Ausdrucksform zu finden, finde ich sehr spannend. Besonders in einer Zeit, in der alles uniformer wird.
Mögen mir zukünftig vielen Rebellinnen oder Rebellen der Achtsamkeit begegnen. Vielleicht bist du ja eine davon?!
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