Zum Inhalt springen

Magic Moments: Läuft!!! Naja…….

    00

    Magic Moments: Läuft!!! Naja…

    01/09/2024

    Läuft!!! Naja, nicht wirklich…               

    Es gab einmal eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, große spirituelle Fortschritte zu machen. In der Meditation wähnte ich mich in Zuständen tiefer Stille und der Eintracht mit mir und dem Universum. Während mehrtägiger Meditationsretreats hatte ich Lichterscheinungen, konnte Gedanken lesen und fühlte mich, als wenn ich einen direkten Draht zum Universum hätte. Stolz erzählte ich in den Abschlussrunden von meinen Erfahrungen. Im Alltag zeigte sich mein spiritueller Fortschritt dadurch, dass ich weniger identifiziert mit verschiedenen gesellschaftlichen Rollen oder persönlichen Gefühlen war – ich war einfach präsent. Ja, ich war wach, offen, achtsam und aufmerksam für das, was gerade war.

    Stagnation

    Aber dann kam eine Zeit, in der meine spirituelle Entwicklung – in meinen Augen – stagnierte. In der Meditation war ich nicht in der Lage, auch nur eine Sekunde eine Pause zwischen meinen Gedanken zu entdecken, geschweige denn, in dieser Pause zu entspannen. Egal, wie lange ich meditierte – nichts passierte. Keine Stille, keine Lichterscheinungen, nur Selbstanklagen. Auch jenseits des Meditationskissens lief nichts so, wie ich es wollte. In meiner Beziehung gab es viel Streit, meine Arbeit fiel mir schwer und ich wäre am liebsten aus allem ausgestiegen. Auch in meiner Yogapraxis hatte ich das Gefühl, dass meine Muskeln sich verkürzt hatten und ich die Stellungen längst nicht mehr so halten konnte, wie ich es gewohnt war. Auf den Punkt gebracht: Ich war verzweifelt!!!

    Ich blickte auf eine langjährige Meditationspraxis zurück, hatte viel Geld und Zeit in spirituelle Retreats gesteckt und plötzlich das Gefühl, nicht einmal mehr zu wissen, was Spiritualität überhaupt bedeutete. Ja, ich hatte plötzlich das Gefühl, dass alle Investitionen in meinen spirituellen Fortschritt nicht nur umsonst, sondern vielmehr eine reine Fehlinvestition gewesen waren. Je länger der Zustand anhielt, desto wütender und ungeduldiger wurde ich mir selbst gegenüber.

    Hoffnung

    Dieser Zustand hielt mehrere Monate an, sodass ich mich schließlich zu einem weiteren Meditationskurs anmeldete. Ich hegte die Hoffnung, während eines solchen Retreats wieder zu meiner gewohnten inneren Ruhe zurückzufinden. Doch so sehr ich mich bemühte, zwang, motivierte und anspornte – und mich selbst zu überlisten versuchte –, auch nach einer Woche des Meditierens, Praktizierens und Schweigens tat sich nichts. Die Gedanken in meinem Kopf waren immer noch genauso laut und zäh wie zuvor. Lücken zwischen den Gedanken konnte ich immer noch nicht ausmachen. Lichterscheinungen gab es keine mehr. Es war dunkel in mir – und ich wurde depressiv.

    In der Abschlussrunde erzählten einige Teilnehmer von ihren Lichterfahrungen, spirituellen Einsichten, tiefen Erkenntnissen und der inneren Ruhe, zu der sie in diesen Tagen gefunden hatten. Andere Teilnehmer schwiegen. Nur ich erzählte mit Tränen in den Augen von meiner Verzweiflung und davon, dass ich mich seit Monaten wie von Nebel umgeben fühlte. Der spirituelle Lehrer, der dieses Retreat leitete, meinte, dass ein solcher Zustand ein sehr gutes Zeichen für einen Schritt in eine nächste Entwicklungsstufe sein könnte. Er meinte aber auch, dass ich dafür diesen Zustand zuerst einmal bedingungslos annehmen müsse. Ich müsse gegebenenfalls sogar bereit sein zu akzeptieren, dass ich mich für den Rest meines Lebens in diesem Nebel befinden könnte.

    Hingabe

    Nach einem inneren Kampf nahm ich an, was angenommen werden wollte – ein Leben in gedanklichem Dickicht und Nebel. In dem Moment, als ich keinen Widerstand mehr gegen meine Gedanken im Kopf, die innere Stagnation und das Gefühl des Verzweifelns leistete, war es, als hätte sich eine Tür in mir aufgetan, denn es wurde wieder heller in mir, Tag für Tag ein kleines Stückchen.

    Was mich jedoch an dieser Erfahrung am meisten erstaunte, war etwas anderes: Einige Seminarteilnehmer kamen nach der Abschlussrunde zu mir und sprachen mich an. Sie gehörten zu den Teilnehmern, die sich in Abschlussrunden nicht zu Wort melden, weil sie sich schämen, dass sie keine Lichterfahrungen machen und auch keine Lücken zwischen den Gedanken wahrnehmen. Sie teilten mir ihre Bewunderung mit und waren ganz berührt von meinem Mut, über meine Verzweiflung zu sprechen. Und sie waren dankbar dafür, zu erleben, dass es außer ihnen auch andere Menschen gibt, bei denen es einmal nicht weitergeht.

    Verwechsung

    In diesen Gesprächen merkte ich, dass viele den spirituellen Weg mit ihrer beruflichen Karriere verwechseln. Ja, durch diese Gespräche begriff ich dass wir unbewusst in einer spirituellen Leistungsgesellschaft leben, in der es den meisten um das »Weiser, erleuchteter, besser!« geht.

    Mir persönlich haben nur wenige Zeiten in meinem Leben bei meiner spirituellen Entwicklung so sehr geholfen wie diese Phase, in der es einmal nicht weiterging.