Meditation und Neurowissenschaft
Meditation und achtsamkeitsbasierte Ansätze finden in der Neurowissenschaft immer mehr Beachtung. Natürlich ist es löblich, dass das Interesse an der Bewusstseinsschulung wächst und auch ihre heilsame Wirkung im Labor verifiziert wird. Gleichzeitig aber sollte nicht vergessen werden, dass das, was Buddha vor mehr als 2500 Jahr unmittelbar erschaute, als eine komplexe spirituelle Praxis angelegt ist.
Im ursprünglichen Sinne handelt es sich bei der Meditation um eine spirituelle Disziplin, die uns den Weg aus dem Leid ebnen soll. Die verschiedenen Formen der Meditationen, die entsprechend der unterschiedlichen Menschentypen entwickelt wurden, werden seit Jahrtausenden als spirituelle Praxis der Selbsterforschung und Selbsterkenntnis durchgeführt.
Ob Buddhisten, Yogis, Sufis oder die Wüstenväter des frühen Christentums, für viele Menschen aus spirituellen Traditionen ist die Meditation ein machtvolles Instrument auf dem Weg der Erleuchtung, Nirvana, Unio Mystica oder Gottesverwirklichung. Denn erst durch die Meditation wird der Geist tiefgreifend gesammelt, beruhigt und geleert. In den letzten Jahren wird Meditation aber auch besonders gerne von Frauenzeitschriften als eine Art Entspannungsverfahren verkauft oder auf eine Technik runterreduziert, die die eigene Konzentrations- und Leistungsfähigkeit maßgeblich steigert. Aber es gibt auch noch ein weiteres Feld, das sich jetzt sehr für die Meditation interessiert: die Wissenschaft. Als im Jahre 2000 in den USA die erste Forschung mit funktioneller Magnetresonanztomografie veröffentlicht wurde, geriet die Meditation ins Interesse der Forschung. Ein Jahr später richtete die Society for Meditation and Meditation Research e.V. (SMMR) ihre erste interdisziplinäre Tagung zu dem Thema aus und ist seitdem bemüht, auf regelmäßigen Symposien neuste Erkenntnisse zu vermitteln.
Eine zentrale Rolle spielen hier auch die Aktivitäten des Mind and Life Institutes, die auf einen Austausch zwischen religiösen Traditionen und Wissenschaftlern basieren. Der Dalai Lama spielt hier als treibende Kraft eine wichtige Rolle. Durch seine Prominenz, sein Interesse sowohl an Hirnforschung als auch Meditation erzielte er in enger Zusammenarbeit mit wichtigen Hirnforschern wie zum Beispiel Richard Davison oder Wolf Singer eine enorm große Breitenwirkung für das Thema.
Mit Hilfe neuester wissenschaftlicher Möglichkeiten wie zum Beispiel der Messung des regionalen cerebralen Blutflusses (rCBF), der Magnetresonanz-Tomographie (MRT), der verbesserten Elektroenzophalographie (EEG) und der Magnetoenzephalographie (MEG) ist die Hirnforschung jetzt in der Lage, die umfassende Wirkung von Meditation auf das menschliche Gehirn zu untersuchen und nachzuvollziehen. Die Forschungsteams sind aber besonders interessiert daran, die neuronalen Mechanismen zu untersuchen, die deutlich machen, wie sich die Meditation auf die Fähigkeit auswirkt, besser mit Stress umzugehen und die Aufmerksamkeit zu erhöhen. So belegte zum Beispiel der Amerikaner Richard Davidson im Jahre 2008 bei tibetischen Mönchen größere Aktivitäten im linken Stirnhirnlappen. Dieser gilt als das Zentrum der Persönlichkeit und steuert Motorik, Sprache, Motivation, Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Problemlösung, Impulskontrolle und sexuelles Verhalten. Darüber hinaus konnte er aufzeigen, dass die Gammawellen mehr als 30-mal stärker ausgeprägt waren bei einer Kontrollgruppe. Gammawellen (100-38 Hz) sind jene Hirnwellen, die mit Spitzenleistungen, starker Fokussierung und Konzentration, hohem Informationsfluss sowie mystischen und transzendenten Erfahrungen in Verbindung gebracht werden.
Aber auch Deutschland herrscht seit der Jahrtausendwende reges Interesse an der seriösen Erforschung der Meditation. Hier ist die SMMR, ein 2000 gegründeter, als gemeinnützig anerkannter Verein mit Sitz in Köln, federführend. Er fördert die Meditationsforschung in Europa durch Tagungen, Forschungspreise, Koordination von Forschungsprojekten und Publikationen. Auch andere deutsche Forschungsteams warten hier mittlerweile mit interessanten Forschungsergebnissen auf. Besonders die Neurowissenschaftlerin Tanja Singer und Ulrich Ott beschäftigen sich mit neurobiologischer Meditationsforschung. Ott, der Autor des Buches „Meditation für Skeptiker“ belegte mit seinem Team morphologische Veränderungen; die Dichte der Nervenzellen im orbiofrontalen Cortex waren höher und jene Bereiche der Großhirnrinde, die für emotionale und kognitive Prozesse, Entspannung und Wohlbefinden wichtig sind, waren bis zu fünf Prozent dicker als bei einer Vergleichsgruppe.
Im November 2010 fand in Berlin zum ersten Mal der interdisziplinäre Kongress „Meditation und Wissenschaft“ statt, der von der Identity-Foundation und der Oberberg-Stiftung veranstaltet wurde. Auch die Wissenschaftlerin und Autorin Britta Hölzel zählt zu dem Forschungsteam, die in einer Reihe von Längstschnittstudien aufgezeigt haben, dass sich bereits nach einem achtwöchigem Training mit einer täglichen Praxis von 45 Minuten eine signifikante Verdichtung der grauen Substanz im Hypocampus nachgewiesen worden ist. Umgekehrt kann diese Struktur bei Dauerstress durch einen hohen Cortisolspiegel im Blut geschädigt werden. Die Reduktion der subjektiven Stressbelastung war darüber hinaus mit der Abnahme der Dichte der grauen Substanz in der Amygdala verbunden. Sie spielt unter anderem eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Angstreaktionen. In einer weiteren Studie konnten die Forscher mit Angstpatienten zeigen, dass durch die regelmäßige Meditationspraxis die Verbindung zwischen der Amygdala und dem präfrontalen Cortex verändert wurde. Diese steht wiederum im unmittelbaren Zusammenhang mit der Schwere einer Symptomatik. Auch Prof. Dr. Tania Singer beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Auswirkung von Meditation auf das Gehirn und bestätigt die positive Wirkung von Meditation auf das Gehirn. Ihrer Meinung nach geht es in den Forschungen mittlerweile viel mehr darum, aufzuzeigen, welche Meditation welchen Effekt hat, wie groß dieser ist und wie lange es dauert, bis er sich einstellt.
Die tiefgreifende Möglichkeit, das Nervensystem durch eine regelmäßige Meditationspraxis zu verändern, um dadurch wiederum Änderungen im eigenen Verhalten zu bewirken, ist grundlegend für das Verständnis der umfassenden Wirkung von Meditation. Sowohl im ursprünglichen Sinne, als auch im therapeutischen Kontext besteht ein wichtiges Ziel der Meditation darin, Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen bewusster wahrzunehmen. Denn nur dann, wenn wir lernen, sie zu beobachten und uns von ihnen zu distanzieren, können starre und unheilvolle Reaktions- und Gedankenmuster verändert oder überwunden werden. Dadurch ist es möglich, eine größere Freiheit für alternative Sicht- und Reaktionsmuster zu entwickeln. Durch die regelmäßige Meditationspraxis lernt man aber nicht nur die eigenen Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle besser kennen. Man lernt auch, sich nicht mehr mit ihnen zu identifizieren. Zu wissen, dass wir einen Körper haben, aber nicht dieser Körper sind, kann genauso hilfreich sein, wie das Wissen, dass wir Gedanken und Gefühle haben, aber diese Gedanken und Gefühle nicht sind. Die geistige Flexibilität und Präsenz, die durch die Meditations- und Achtsamkeitspraxis erzielt wird führt neben Stressreduktion, physischer und psychischer Gesundheit sogar dazu, dass die Alterung des Gehirns verlangsamt wird. Mittlerweile ist sogar erforscht worden, dass ein achtsamer Lebensstil ein wichtiges Element bei der Prävention von Alzheimer-Demenz sein kann.
Es gibt also eine gute und eine schlechte Nachricht! Die positive zuerst. Die Meditation wirkt sich also nachweislich positiv auf das Gehirn aus. Die negative: All die positiven Wirkungen durch die Meditation können nur erzielt werden, wenn über einen langen Zeitraum meditiert wird. Jon Kabat-Zinn entwickelte das MBSR-Programm, das in den letzten Jahren in viele Kliniken Einzug hielt. Auch hier haben viele Forschungen gezeigt, dass die acht-wöchige MBSR-Praxis große Heilung sowohl im psychischen als auch im physischen Bereich mit sich bringen kann. Allerdings hält diese Wirkung nicht an, wenn die Praxis nach den acht Wochen wieder beendet wird. Und somit schließt sich wieder ein Kreis zum ursprünglichen Sinn der Meditation. Es ist eine umfassende, ganzheitliche spirituelle Praxis, die als eine Art Lebensweg gedacht ist und nicht dann wieder abgelegt werden soll, wenn Symptome behoben sind.
So bahnbrechend die Erkenntnisse auch sind, dass und wie positiv sich die Meditation auf den Menschen auswirkt, so traurig ist es gleichzeitig, dass diese Jahrtausendalte Praxis, die so viele Menschen darin unterstützt hat, sich selbst zu erkennen, erst jetzt gebührende Anerkennung erlangt. Und zwar nur deshalb, weil im Labor erforscht wurde, dass sie wirkt. So zeigt ein Artikel in der SZ vom 08.02.2015 wie sehr man noch verhaftet ist an Ergebnissen, die aus dem Labor stammen: „Längst interessiert sich auch die seriöse Forschung für Meditation. Das ist auch dringend nötig auf einem Feld, das in der Vergangenheit mehr von Überzeugungen dominiert wurde als von überzeugenden Beweisen. Gerade zu den medizinischen Effekten der Meditation gab es zwar viele Studien, aber die waren geprägt von geringen Teilnehmerzahlen und methodischen Mängeln. Entsprechend umstritten sind die Ergebnisse. Eine Analyse im Auftrag des US-Gesundheitsministeriums kam 2007 gar zu dem Schluss, dass die vorhandenen Daten keine sicheren Schlussfolgerungen über die Effekte von Meditation erlauben.“ Eine solche Aussage macht deutlich, dass Messergebnisse immer noch mehr Glaubwürdigkeit geschenkt wird als die Präsenz eines Menschen, der durch langjährige Meditation in sich ruht und dies auch ausstrahlt. Aber vielleicht erleben wir ja auch hier in den nächsten Jahren noch einen Paradigmenwechsel der weg geht von Descartes, der sagte: „Ich denke, also bin ich“ und abgelöst wird von der bahnbrechenden Erfahrung durch die Meditation „Ich sitze, also bin ich!“
Wie schön wäre ein solch neues Weltbild. Es würde uns wegbringen von dem „um-zu“ und dem „höher-schneller-weiter“ und dem „ICH“. Es würde uns zurückbringen in den Zustand der Meditation und den Raum wieder öffnen in dem wir uns als alle miteinander verbunden erfahren, in einem Raum in dem alles ist und sein darf und es kein Einbürgerungsamt mehr braucht, dass einem Menschen schriftlich bestätigt, dass er das Recht hat, Weltenbürgern zu sein und auch kein Labor mehr braucht, um zu beweisen, dass das, was man fühlt, richtig ist.
Die wichtigsten Forschungsergebnisse:
- Das Gehirn wird nachhaltig positiv beeinflusst
Forschungen mi tibetischen Mönchen haben gezeigt, dass das Gehirn eines Langzeitmeditierenden ganz anders funktioniert als das eines Menschen, der keine Erfahrung mit Meditation hat. Die Gamma-Wellen der Langzeitmeditierer (im Fall verschiedener Untersuchungen waren es Mönche) wiesen während der Meditation eine erhöhten Frequenz auf. Sie waren aber bereits überdurchschnittlich hoch, bevor die Mönche in die Meditation gingen.
- Der Geist wird geschult
Erwiesenermaßen wirkt sich die Meditation positiv auf die Schulung des Geistes aus. Die Kapazität des Gehirns für Achtsamkeit, Mitgefühl, Bewusstheit und Glück wird vergrößert. Aber auch die Introspektionsfähigkeit und die Emotionskontrolle wird durch bestimmte Meditationsformen verbessert.
- Die Gehirnmasse nimmt zu
Eine Studie hat gezeigt, dass durch Meditation nicht nur die Struktur des Gehirns positiv verändert wird, sondern dass es sogar vergrößert wird. Genauer gesagt wird durch die regelmäßige Meditation die Dicke jener Gehirnareale vergrößert, die mit Wohlbefinden, der Verarbeitung von Gefühlen und mit Kognition zu tun haben.
- Alterungsprozesse des Gehirns werden aufgehalten
Normalerweise nehmen bestimmte Areale der Großhirnrinde (Kortex) mit zunehmendem Alter ab. Durch die regelmäßige Meditationspraxis hingegen können die negativen Auswirkungen des Alters aufhalten, im Idealfall sogar umkehren.
Meditieren statt büffeln
Die durchaus positiven Ergebnisse der Hirnforschung haben auch gezeigt, dass bereits kurze Meditationseinheiten dazu führen, dass die Achtsamkeit und die Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden kann. Also ist die altbewährte Methode, bis zum Umfallen zu büffeln heute gar nicht mehr so hilfreich, wie sie einst zu sein schien. Viel mehr kommt man heute zu dem Schluss, dass es hilfreicher ist, sich an den letzten Vorbereitungstagen vor einer Prüfung kurze Meditationseinheiten zu gönnen. Im Fachmagazin „Consciousness and Cognition“ wird von US-Forscher der Wake Forest University School of Medicine in Winston-Salem berichtet. Sie kamen dem Ergebnis, dass es bereits hilfreich ist, vier Tage lang 20 Minuten zu meditieren, um die eigene Konzentration und Aufmerksamkeit deutlich zu verbessern. Studien des Teams hatten bereits zeigen können, dass die regelmäßige Meditationspraxis jene Hirnregionen stärkt, die eben dafür zuständig sind, dass wir uns länger auf eine Sache oder ein Objekt konzentrieren können. Sie machten diesen Versuch, weil sie all jene Menschen für die Meditation begeistern wollten, die nicht – wie im ursprünglichen Sinne der Meditation anleget – 30 bis 40 Minuten pro Tag meditieren wollten. Das Forschungsteam machten mit 49 Proganden einige Teste, um deren Gedächtnisleistung, die visuelle Aufmerksamkeit, Stimmungslage und Konzentrationsfähigkeit zu untersuchen. Daraufhin wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen unterteilt. Die eine Gruppe meditierte vier Tage lang 20 Minuten, während die andere Gruppe in der Zeit jeweils 20 Minuten ein Hörbuch hörten. Nach diesen vier Tagen wurden die Tests wiederholt. Die Wissenschaftler waren über das Ergebnis genauso erstaunt wie die Teilnehmer. Zwar hatte sich in beiden Gruppen die Stimmung gleichermaßen verbessert, aber bei der Meditationsgruppe hatten die kognitiven Fähigkeiten signifikant zugenommen. Darüber hinaus war bei dieser Gruppe eine deutliche Abnahme von Angst und Müdigkeit zu erkennen und zeigten eine Verbesserung der räumlich-visuellen Wahrnehmung. Besonders auffallend aber war, dass die Kurzzeitmeditierenden bei sämtlichen kognitiven Tests, die mit Stress verbunden waren und unter Zeitdruck ausgeführt werden sollten.
Solche Forschungen zeigen deutlich, wie sehr die Gehirnaktivität durch Meditation verbessert wird. Allerdings könnten sie auch zu Fehlannahmen verleiten. Wenn sie mit der entsprechenden Überschrift in Boulevardzeitungen als eine Technik verkauft wird, die darauf abzielt kognitive Leistungen zu verbessern, hat sie nicht mehr viel mit der Methode im ursprünglichen Sinne zu tun: sich selbst zu erkennen und einen umfassenden Weg aus dem Leid, eine hilfreiche Stütze zu sein. Denn schließlich geht es im Sinne der ursprünglichen Meditation im Sinne Buddhas – und auch im Sinne des Yoga – darum, den Geist zur Ruhe zu bringen und das reine Gewahrsein zu schauen und sich von dem Willen und dem Wunsch, durch die Meditation ein Ziel zu erreichen, zu lösen.
Messungen des Gehirnstroms
Die Aktivitäten des Gehirns werden u.a. durch bildgebende Verfahren gemessen oder aber mit Hilfe eines EEG (Elektroenzephalografie) aufgezeichnet. Auf diese Art kann die elektrische Aktivität des Gehirns durch die Aufzeichnung der Spannungsschwankung an der Kopfoberfläche aufgezeichnet werden. Dadurch wird offensichtlich, wie sich die rechte und die linke Gehirnhälfte im Alltag verhält. Forschungsteams konnten anhand von EEG-Mustern erkennen, dass im Alltag, im normalen wachbewussten Zustand ausschließlich die linke Gehirnhälfte aktiv ist. Die rechte Gehirnhälfte ist hingegen nahezu inaktiv. Diese wird aber durch Meditationstechniken aktiviert. Es heißt, dass durch Geistesblitze, Eingebungen, Visionen etc. die rechte Gehirnhälfte aktiv wird und sich für Informationen aus dem kosmischen, morphogenetischen Feld öffnet.
Die linke Gehirnhälfte
(sie ist analytisch und rational)
- Bewusstsein
- Logisches Denken
- Kognitives Wissen
- Wissenschaftliche Erkenntnis
- Ratio
- Fachliche Intelligenz
Die rechte Gehirnhälfte
(sie ist ganzheitlich und intuitiv)
- Emotionale Intelligenz
- Kreativität
- Eingebung
- Transpersonales Wissen
Weitere Informationen: http://www.smmr.de/
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„Die Angst, der Buddha und ich!“