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Wertschätzung, Anerkennung und Dankbarkeit

    Doris Iding - Wertschätzung, Anerkennung und Dankbarkeit

    Wertschätzung, Anerkennung und Dankbarkeit

    09/08/2023

    Wertschätzung kultivieren

    In einer Gesellschaft, in der das Höher-Besser-Weiter uns alle in den Burnout treibt, ist Wertschätzung leider Seltenheit geworden. Kein Wunder, dass diese Tugend jetzt wieder verstärkt in den Vordergrund kommt. Hier erfährst du, wie du sie kultivieren und leben kannst.

    Halte doch gleich zu Beginn dieses Textes einmal inne, schließe die Augen und versuche, dich so gut und lebhaft wie möglich an eine Situation zu erinnern, in der du privat oder beruflich ein Lob, Anerkennung oder Wertschätzung von jemanden erhalten hast. Vielleicht war es für eine Yogastunde, die du gehalten hast, oder deine Offenheit, die du in einem Gespräch gezeigt hast. Oder vielleicht hat dir eine Freundin gesagt, dass sie deine Ehrlichkeit so sehr schätzt. Was immer gesagt wurde, wahrscheinlich hast du dich in dem Moment sehr gefreut, warst berührt, vielleicht sogar auch stolz oder tief befriedigt.

    Wenn wir Anerkennung oder erfahren, schüttet unser Gehirn körpereigene Opiate aus und sorgt dafür, dass wir uns gut fühlen. Übrigens ist der Wunsch danach kein Phänomen, dass mit der Erschaffung der sozialen Medien entstanden ist. Es hat seine Wurzel bei der Menschwerdung selbst. Bei dem Streben nach sozialer Anerkennung handelt es sich um ein evolutionsbiologisches bedingtes, grundlegendes Bedürfnis, dass uns bis heute genetisch bedingt. Für uns ist es existenziell wichtig, von der sozialen Gruppe, in der wir leben Anerkennung und Wertschätzung zu erfahren. Ob es sich dabei um die eigene unsere Familie oder deine Yogasangha handelt ist, ist zweitrangig.

    Anerkennung ist überlebenswichtig

    Normalerweise begreift sich ein Kind ab dem 3. Lebensjahr als eigenständiges Wesen, dass in der Lage ist, die Reaktionen seiner Umwelt einzuordnen. Es entsteht das wesentliche Bedürfnis nach Anerkennung und führt das, dass das Kind alles tut, um die Zuneigung seiner sozialen Gruppe zu erhalten. Jedes Lob, jede Form der Anerkennung schüttet im Gehirn positive Botenstoffe aus, die neuronale Verknüpfungen und synaptische Verschaltungen aktiviert. Das Kind lernt schnell, was akzeptabel ist, was es tun muß, um anerkannt zu werden und was es tunlichst lässt, um Ablehnung zu erleben.

    Soziale Akzeptanz brauchen wir jedoch nicht nur als Kinder, sondern ein ganzes Leben lang. Wir leben durch andere. Obwohl es uns häufig nicht bewusst ist, durchdringt einen jeden von uns der Wunsch nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Wertschätzung.

    Wie abhängig bist du vom Zuspruch und der Anerkennung anderer? Was wird ausgelöst in dir, wenn du Likes für ein Foto von dir bekommst, oder einfach nur mal ein wohlwollendes Lächeln in der U-Bahn von deinem Gegenüber erhascht?

    Anerkennung und Wertschätzung

    Mit dem Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung bist du nicht allein. Wie gut tut ein „Danke schön!“ wenn wir die Küche aufräumen, den Müll wegbringen, dem Partner oder Kollegen eine Tasse Tee bringen, einen Fremden im Vorbeigehen die Türe aufhalten, die Matten im Yogastudio wegräumen oder die Überstunden honoriert bekommen, die wir eigentlich gar nicht machen müssten. Allerdings gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen ihnen.

    Anerkennung ist eine gezielte positive Reaktion, die sich auf etwas bestimmtes bezieht. Häufig wird Anerkennung verbal geäußert, wie zum Beispiel: „Du hast eine wunderschöne Yogastunde gehalten.“ Oder „Das Essen war ausgezeichnet.“ Likes auf facebook oder Instagram sind mittlerweile ebenso bekannt. Anerkennung ist nur für eine begrenzte Zeit gültig und deshalb brauchen wir so viel von ihr. Haben wir als Kinder nicht genug davon bekommen, kann es sein, dass wir als Erwachsene sehr viel Zeit darauf verwenden, diese Anerkennung zu bekommen. Allerdings gibt es hier einen Wermutstropfen: wenn wir uns selbst keine Anerkennung schenken, helfen auch Tausend Likes nichts.

    Halte an dieser Stelle wieder inne und frage dich: Wie abhängig bin ich von der Anerkennung anderer? Brauche ich regelmäßig und immer wieder ein großes Maß an Anerkennung von anderen? Und was tue ich alles, um diese Anerkennung zu erhalten? Dreht sich in meinem Leben viel um diese Anerkennung? Sie sehr ist die Anerkennung von anderen, den Eltern, dem Partner, den Kollegen, den Yogaschülern eine Triebfeder in meinem Leben? Ist die Motivation, die mich etwas tun lässt, der Freude an der Sache geschuldet oder geht es mir primär darum, Anerkennung zu erhalten?

    Sich Anerkennung zu holen ist, wunderbar und auch ganz natürlich. Aber achte darauf, dass du einen Mangel an Anerkennung aus deiner Kindheit nicht damit kompensierst, dass du heute ständig damit beschäftigt bist, dir diese Anerkennung auf einem bestimmten Gebiet zu holen.

    Wertschätzung geht noch einen Schritt weiter als Anerkennung, da wir eine grundsätzliche positive Grundhaltung einem anderen Menschen gegenüber haben. Der indische Gruß „Namasté“, bei dem wir beide Hände vor der Brust verschränken macht diese Grundhaltung deutlich. Namasté bedeutet, dass wir das Göttliche im anderen respektieren und wertschätzen und im Idealfall natürlich genauso wie das Göttliche in uns selbst. Durch eine solche Haltung zeigen wir einem anderen Menschen Achtung und Respekt einfach nur für sein Menschsein. Wertschätzung hingegen setzt alle Menschen gleich. Es heißt, dass man sich um eine Haltung der Wertschätzung bemühen muß, sie quasi erlernen muß. Ähnlich wie Mitgefühl muss man – in den Worten des Dalai Lama gesprochen – diesen Muskel trainieren.

    Begegnen wir einem Menschen mit einer Haltung der Wertschätzung, begegnen wir einander auf Augenhöhe und von Herz zu Herz. Wir nehmen den anderen so an wie er ist und schätzen ihn einfach dafür, dass es ihn gibt.

    Eine weitere Form der Wertschätzung beruht auf einer subjektiven Wertschätzung, die sich auf die Leistungen, das Verhalten oder die Eigenschaften eines Menschen beziehen.  Bei der subjektiven Wertschätzung geht es vielmehr darum, was uns selbst wichtig ist und worum wir uns selbst bemühen. Schließe auch hier an dieser Stelle wieder einmal deine Augen und überlege dir, welche Werte dir besonders am Herzen liegen. Ist es Zuverlässigkeit? Ehrlichkeit? Authentizität? Überlege, welche Menschen diese Werte repräsentieren und wie groß deine Wertschätzung für sie ist. Sie setzt voraus, anders als die Anerkennung, dass wir Einsatz, Verhalten und Eigenschaften zeigen, die diese Werte wiederspiegeln. So kannst du ein hohes Maß an Achtsamkeit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit besitzen, aber wenn deinem Chef diese Werte nicht ebenfalls wichtig sind, dann kannst du von ihm keine Wertschätzung dafür erzwingen. Ist sein Werteschema ein anderes, wird er deinen Wert nicht erkennen. Dies zu erkennen, ist wichtig, denn manchmal buhlen wir lange um die Wertschätzung eines Menschen, der sie uns gar nicht geben kann. 

    Selbstwert als Basis für Wertschätzung

    Nur dann, wenn wir uns selbst mit einem gewissen Maß an Selbstwert begegnen können wir Wertschätzung erhalten oder aber geben. Sie ist die Voraussetzung. Festgeschrieben ist ein Selbstwert nicht: ein niedriger Selbstwert lässt sich im Verlauf eines Lebens durch positive Erfahrungen erhöhen und umgekehrt lässt sich ein ursprünglich hohes Selbstwertgefühl durch äußere Umstände verringert werden. Die Voraussetzung ist, dass wir als erstes unsere Einzigartigkeit anerkennen. Und als zweites sehen, dass wir Menschen sind, die Fehler machen. Nehmen wir uns selbst nicht so wichtig und akzeptieren wir unsere Schwächen, können wir durch eine solche Haltung unsere Einzigartigkeit und unseren Selbstwert stärken. Anstatt permanent auf die eigenen Schwächen zu schauen, solltest du lieber den Blick auf das richten, was dir gut gelingt. Konzentriere dich auf das, was schön an dir ist. Schaue auf deine positiven Eigenschaften.

    Fehler die du machst, musst du nicht als Versagen betrachten, sondern eher als eine Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen. Der irische Schriftsteller formuliert es mit folgenden Worten: Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Eine deutsche spirituelle Lehrerin formuliert es ähnlich: Was ist der Unterschied zwischen einem Menschen und einem Heiligen? Der Heilige steht immer wieder auf. Egal, wie oft er versagt hat.

    Botschaften positiv formulieren

    Selbstwert fängt dort an, wo Selbstsabotage endet. Tendenziell erzählen wir anderen Menschen eher von dem, was uns nicht gelingt, wo es schiefläuft oder was wir nicht können. Wir stellen unser eigenes Licht unter den Scheffel. Damit untergraben wir unser Selbstwertgefühl enorm. Denn ob wir sagen: „Ich bin nur Hausfrau.“ Oder ob wir sagen: „Ich manage ein kleines Familienunternehmen.“ Macht diese Aussage einen Unterschied. Es ist auch etwas anderes, ob ich auf ein Kompliment für meinen Pullover sage: „Ach, der ist schon so alt.“ Oder „War gar nicht teuer.“ Oder ob ich sage: „Ja, ich liebe ihn auch. Es ist mein Lieblingspullover.“