Zum Inhalt springen

Ankommen. Im Körper. Im Jetzt. – Gelebte Spiritualität: Den Körper bilden

    Doris Iding - Ankommen. Im Körper. Jetzt. - Meditation

    Ankommen. Im Körper. Im Jetzt.

    03/07/2022

    Gelebte Spiritualität: Den Körper bilden

    Ankommen. Im Körper. Im Jetzt.

    Alle Gedanken, Gefühle und Empfindungen liegen im Körper begründet. Das können wir deutlich wahrnehmen, wenn wir uns vorbehaltslos uns selbst zuwenden. Dazu braucht es allerdings ein bisschen Mut. Mut dahingehend, dass wir alles da sein lassen, was wir erfahren. Also auch unsere Wut, unsere Einsamkeit, unsere Glückseligkeit. Bringen wir diesen Mut auf, kommen wir ganz bei uns selbst an. Dann können wir uns über unseren Körper ganz im Hier und Jetzt verankern. Über eine solche körperliche Präsenz und einem offenen Herzen lässt sich das Leben mit all seinen Herausforderungen mit größerer Gelassenheit erfahren.  

    In den ersten Jahren meiner persönlichen Meditationspraxis war ich primär interessiert an außerkörperlichen Erfahrungen. Je kosmischer sie waren, desto besser gefielen sie mir. Je mehr ich das Gefühl hatte, dass die oberen Chakren aktiviert werden, desto spiritueller fühlte ich mich. Je mehr sie mich von meinem Körper wegbrachten, desto spannender wirkten sie auf mich. Hatte ich doch in vielen spirituellen Schriften gelesen, dass es darum geht, den Körper zu überwinden. Sadhus, Zenmeister und Gurus hatten doch immer wieder davon gesprochen, dass nur derjenige, der nicht an seinem Körper haftet, Erleuchtung erlangen wird. Heute aber weiß ich, dass das, was ich damals erlebte eher eine Flucht war vor all den Gefühlen, die erfahrbar sind, wenn ich ganz in meinem Körper verankert bin.  

    Alles hat seine Zeit

    Was für einen Sadhu im Himalaya gilt, oder für einen Zenmeister vor 200 Jahren eine wesentliche Rolle spielte, muss nicht mehr zu uns Menschen im 21. Jahrhundert passen. Ich erlebe unsere Gesellschaft heute eher als eine Gedankenverlorene Gesellschaft. Anders ausgedrückt empfinde ich uns als Kopffüßler, die gemäß dem Motto: „Ich denke, also bin ich!“ unterwegs ist. Der ständige Gebraucht von Smartphones und das viele Surfen in virtuellen Welten hat uns in den letzten Jahrzehnten noch mehr von uns selbst abgeschnitten. So machten früher kleine Kinder beispielsweise in den ersten Jahren viele Erfahrungen im Wald, in Spielgemeinschaften mit Nachbarskindern, beim Malen, Singen, Spielen oder Schwimmen. Wir schlugen dabei die Knie auf, fielen von Bäumen und Rädern und erkundeten die Welt mit den Sinnen. Wir waren mit allen Sinnen ganz im Moment. Wir lebten im Moment. Wir erlebten die Natur. Wir erfuhren reale Gemeinschaften. Ich erinnere mich immer sehr gerne an die Sommermonate zurück, in denen wir abends müde ins Bett fielen, nachdem wir den ganzen Tag draußen in der Natur verbracht hatten: Schwimmen, spielen, erkunden. Solche Erfahrungen prägen unser Gehirn. Sie sorgen dafür, dass verschiedenste Bereiche im Gehirn aktiviert und stimuliert werden. Werden die Gehirne von Kindern von heute gescannt, sind besonders solche Regionen im Gehirn ausgebildet, die das Wischen auf dem Tablet oder dem Smartphone auslösen: der Daumen oder Zeigefinger.

    Gelebte Spiritualität: Den Körper beseelen

    Für mich persönlich hat sich die Meditationspraxis in den letzten Jahren stark verändert. Der Körper steht heute im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit. Nur dann, wenn ich ganz im Körper zu Hause bin und der Geist im Körper ruht, kann ich tiefen inneren Frieden finden. Ganz im Körper zu ruhen ist aber nicht leicht. Das erfahre ich auch immer wieder von meinen Kursteilnehmern. Viele von ihnen erfahren zu Beginn der Meditations- und Achtsamkeitspraxis eine enorme Unruhe, sobald sie sich auf ihren Körper konzentrieren. Diese Wahrnehmung ist häufig so erschreckend, dass sie eine aktive Yoga-Praxis auswählen, um sich dieser Unruhe nicht aussetzen zu müssen. Gelingt es uns hingegen, trotz der starken Unruhe einen Ort der Ruhe zu finden, kommen wir Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug nach Hause. Dabei kann dieser Ort nur wenige Zentimeter umfassen. Es kann der kleine Finger oder das Ohrläppchen, der Beckenraum oder der kleine Zeh sein. Nehmen wir diese Ruhe und Entspannung wahr, kann dies ein Tor zur inneren Freiheit werden.

    Meditation: Einen Ort der Ruhe finden

    Diese Meditation ist besonders dann empfehlenswert, wenn Sie relativ entspannt sind und Ihnen nicht zu viele Gedanken durch den Kopf gehen oder Sie einen Tag hinter sich haben, an dem Sie bereits viel gemacht haben.

    Kommen Sie in eine aufrechte Sitzhaltung. Achten Sie darauf, dass Sie entspannt und konzentriert gleichermaßen sind. Lassen Sie sich ein paar Atemzüge Zeit, um in dieser Haltung anzukommen. Vielleicht wollen Sie sich noch einmal räkeln und strecken, oder den Kopf von Seite zu Seite bewegen.  Im Idealfall stellen Sie sich einen Timer. Wie wäre es, wenn Sie mit 10 Minuten beginnen und sich dann langsam steigern auf 20 Minuten und dann auf 30 Minuten. Richten Sie dann Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung, ohne diese in irgendeiner Weise zu beeinflussen oder zu verändern. Bleiben Sie „einfach“ nur bei Ihrer Atmung. Sollten Sie sich in irgendeine der fünf Hindernisse verstricken, so versuchen Sie, das Hindernis zu benennen, sich davon zu distanzieren und dann wieder zur Beobachtung Ihres Atems zurückzukehren. Es kann sein, dass sie 100 Mal zurückkehren müssen. Das ist nicht schlimm, sondern ganz normal. An einem anderen Tag werden es nur 20 Mal sein.

    Mehr zum Thema Meditation:

    Lese Sie weiter zum Thema: Meditationen für jede Stimmung